Adalbert Evers Stitz, Ulrich Rauch, Uta. Von Ö¶ffentlichen Einrichtungen zu sozialen Unternehmen. Hybride Organisationsformen im Bereich sozialer Dienstleistungen. Berlin: Edition Sigma, 2002. 281 S. EUR 19.90 (broschiert), ISBN 978-3-89404-766-5.
Reviewed by Christian Baier (Dipl. Soz-Päd., Community Organizer in Chicago und Berlin)
Published on H-Dritter-Sektor (May, 2003)
Die Veröffentlichung "Von öffentlichen Einrichtungen zu sozialen Unternehmen. Hybride Organisationsformen im Bereich sozialer Dienstleistungen" ging als Publikation aus einem Forschungsprojekt der Hans-Böckler-Stiftung und des Instituts für Sozialforschung der Goethe Universität Frankfurt hervor. A. Evers war zum Zeitraum der Erhebung (Herbst 1998-Herbst 2000) Mitglied im Kollegium des Instituts. Die weiteren AutorInnen waren als wissenschaftliche MitarbeiterInnen an dem Projekt beiteiligt.
Vor der Ausgangslage der derzeit stattfindenden Sparmaßnahmen, entwickeln die Autoren die These, dass soziale Organisationen einen wesentlich größeren Handlungsspielraum entwickeln können, wenn man die--bisher eher getrennt wahrgenommenen--Sektoren Staat, Markt und Dritter Sektor verstärkt integriert. "Statt in einer Diskussion um die Zukunft sozialer Dienste und Einrichtungen lediglich staatliche Lösungen zu verteidigen, privatwirtschaftliche Alternativen oder eine freie Trägerschaft im "Dritten Sektor" zu fordern, wäre es möglicherweise realitätsangemessener, aber auch ergiebiger, Entwicklungen aufzugreifen, die diese Elemente zu kombinieren suchen" (S. 12). Diese Überlegung soll anhand von insgesamt 19 Beispielen überprüft und dokumentiert werden.
Im ersten Teil (Kap. 1, S. 11-44) wird der normative Rahmen der Studie gesetzt und die entsprechenden Eingrenzungen vorgenommen, wobei vor allem die Definitionen und Ausprägungen von Staat, Markt und Sozialkapital (als Ausformung des Engagements im öffentlichen Bereich (dritter Sektor) beleuchtet werden. Daneben wird hier die Eingrenzung auf die drei Arbeitsbereiche Schule, Kultur und Sport sowie Altenpflege und -hilfe begründet.
Der größte Umfang wird der Dokumentation der Projekte eingeräumt (Kap. 2-4, S. 45-216), die--nach einer kurzen Vorstellung--jeweils unter der Fragestellung untersucht werden, in welcher Form des Engagements die drei Bereiche zu der Entwicklung der Organisation (und der Erfüllung ihrer Aufgaben) beigetragen haben. Ein besonderer Untersuchungspunkt--geschuldet der zunehmenden Arbeitslosigkeit--ist der Beschäftigungsaspekt, der etwas außerhalb von der sonst systematisch sehr geschlossenen Untersuchung vorgenommen wird. In der Zusammenfassung (Kap. 5, S. 217-65) werden die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt, worauf die entsprechenden Bewertungen in eine abschließende Handlungsempfehlung einfließen. In einem ersten Untersuchungsschritt werden die Konsequenzen einer Verschränkung der Bereiche Staat, Markt und 'Sozialkapital' in den Projekten zusammengestellt. Dabei geht es hier um Folgen für die organisationsinterne Struktur und deren Entwicklungsmöglichkeiten, als auch um äußere Konsequenzen wie z.B. den arbeitsmarktpolitischen Aspekt und die Zunahme des ehrenamtlichen Engagements, die teilweise Abnahme staatlicher Regulierung und die damit verbundene Zunahme an lokaler Verantwortung usw. Zweitens wird nach den Herausforderungen gefragt, die sich bei einer systematischen Weiterentwicklung hybrider Organisationsformen ergeben können. Hier wird u.a. auf den Zielkonflikt zwischen wirtschaftlicher und ideeller Zielsetzung der Organisationen, die Gefahr einer Reduzierung des entstehenden Mehrwertes auf den rein materiellen Gewinn und die Chance einer lokalen Ergänzung überregionaler Interessensgruppen hingewiesen.
Aus diesen Ergebnissen plädiert die Autorengruppe für eine möglichst weitgehende Verschränkung der drei Bereiche Staat, Markt und 'Sozialkapital' in sozialen bzw. gemeinwohlorientierten Organisationen, auch wenn sich "messbare" Vorteile (S. 259) nicht ergeben haben. Statt eines ausschließlichen Rückzuges staatlicher Zuwendungen und Regularien für einen freien Markt (liberale Version) oder eines versorgenden Staates sozialdemokratischer Variante, spricht sich die Studie für einen sozialpolitisch orientierten Staat aus. Dieser hat--neben versorgenden Kernkompetenzen als staatliche Aufgabe--den wesentlichen Auftrag, die darüber hinausgehenden gemeinwohlorientierten Tätigkeiten aktivierend zu unterstützen, dass sie in einer Mixtur aus staatlicher Unterstützung, Unternehmertum und bürgerschaftlichem Engagement in den jeweiligen lokalen Bezügen entstehen und erhalten werden können. Daraus ergeben sich v.a. die folgenden Handlungsleitlinien, die für alle drei Arbeitsbereiche Konsequenzen tragen: (1) Die weitere Umsetzung und Aufwertung des Ehrenamtes als den Staat und v.a. die Gesellschaft unterstützendes Engagement. (2) Die Möglichkeit, auch für Non-Profits, verstärkt unternehmerisch zu handeln und so Marktelemente zu übernehmen. (3) Die klare Definition staatlich/hoheitlicher Aufgaben (z.B. im Sozialbereich) sowie die Weiterentwicklung von Qualitätsstandards, gleichzeitig aber die Deregulierung von darüber hinausgehenden Arbeitsfeldern und Einrichtungen. (4) Die weitere Mobilisierung von Sozialkapital durch die jeweiligen Organisationen, damit verbunden aber auch eine Zunahme an Verantwortung der ehrenamtlich Engagierten. (5) Das Setzen von Rahmenbedingungen, die dieses Engagement als komplementär zu kommunal-, landes- und bundespolitischen Tätigkeiten begreifen und unterstützen, nicht als Konkurrenz dazu.
Das Buch richtet sich an alle, die in diesem Bereich tätig sind. Entsprechend der Grundaussage, dass die Sektoren verstärkt integriert werden müssen, wendet es sich an Praktiker und Verwaltungsfachleute in diesen Bereichen wie auch an unabhängig an der Weiterentwicklung des öffentlichen Sektors Interessierte. Die Dokumentation ist beispielhaft für MitarbeiterInnen / Führungskräfte der Praxis, die sich in einer ähnlichen Situation befinden und nach bereits gemachten Erfahrungen suchen. Sehr deutlich wird dargestellt, dass mit einer entsprechenden Weiterentwicklung eine Zunahme an Arbeitszeit, Kreativität und freiwilligem Einsatz verbunden ist, die sich nur selten finanziell für die Mitarbeiter auszahlt. Hinzu kommen häufig Konflikte innerhalb der Mitarbeiterschaft, die sich erst während des Prozesses entwickeln und gelöst werden müssen.
Inspirierend kann das Buch für Politik und Verwaltung wirken, da hier nicht in die üblichen 'Streichdiskussionen' eingestimmt wird, sondern dieser Ausgangspunkt genutzt wird, Rahmenbedingungen zu suchen, wie mit neuen (bzw. wieder entdeckten) Möglichkeiten lokaler Einbindung und marktwirtschaftlich orientiertem Unternehmertum die bestehenden Grenzen für soziale Unternehmen ausgedehnt werden können. Dieses ist umso erfreulicher, als die Studie mit konkreten Handlungsvorschlägen endet und so nicht theoretisch 'stecken bleibt', sondern selbst aktivierend wirkt. Das tröstet über einige Längen hinweg, die sich ergeben aus einer teilweise sehr intensiven Wiedergabe von Sachverhalten, die angesichts der aktuellen Diskussionen als bekannt vorausgesetzt werden können (insbes. Kap. 2.1.) und aus Wiederholungen zugunsten von Feinheiten, die so differenziert vielleicht nicht nötig gewesen wären (hier besonders Kap. 5.2.). Eine stärkere Zuspitzung der Aussagen hätte das Lesevergnügen weiter erhöht.
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Citation:
Christian Baier. Review of Stitz, Adalbert Evers; Rauch, Ulrich; Uta, Von Ö¶ffentlichen Einrichtungen zu sozialen Unternehmen. Hybride Organisationsformen im Bereich sozialer Dienstleistungen.
H-Dritter-Sektor, H-Net Reviews.
May, 2003.
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